So, 29. Juni 2025, 11:00 Uhr • Vortrag
Friedrich Schleiermacher: Glauben im Zeitalter der Aufklärung
Landauer Matinee
Eintritt frei!

Religiöser Glaube ist ein mehrdeutiges Phänomen: auf der einen Seite scheint er durch die rationale Durchdringung der Welt und des Menschen immer überflüssiger zu werden. Auf der anderen Seite berufen sich auch in der Gegenwart viele auf ihn, z. B. um ihre politische und gesellschaftliche Macht zu stabilisieren.
Die Fragwürdigkeit des Glaubens ist nicht neu. Immanuel Kant entlarvte im Zeitalter der Aufklärung alle scheinbaren rationalen Gottesbeweise als Konstrukte, wollte aber auf den Gottesbegriff und auf den Glauben an die Unsterblichkeit des Menschen nicht verzichten. Nur so sei zu begründen, warum der Mensch gut handeln sollte.
Der junge evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher widersprach heftig: ein Glaube, dessen Hauptaufgabe die Stärkung der Moral der Menschen und die Erziehung zu treuen Staatsbürgern ist, wird dem umfassenden Thema des Glaubens nicht gerecht. Glaube ist für ihn weder ein moralische Gebot noch eine rationale Absicherung seiner Existenz. Die Inhalte des Glaubens sind nicht jenseits von Welt und Mensch, sondern Deutung menschlicher Erfahrungen mitten in der Welt und Gesellschaft. Ohne "Anschauung und Gefühl" kein Glaube. Eine spannende Diskussion in den Jahren 1796 bis 1799 mit Auswirkungen für Gläubige und für die Gestaltung von kirchlichen Gemeinschaften bis heute.
Referent: Prof. Dr. Wolfgang Pauly